Die Geschichte vor den Geschichten

1) Leo & Mia

Leo und Mia wohnen mit ihren Eltern in einem kleinen Haus am Stadtrand. Dort spielen sie oft im Garten, rennen durch die Zimmer, toben und lachen – und oft streiten sie auch. Manchmal geht es nur darum, wer zuerst ins Bad darf, oder wer die Hausaufgaben schneller fertig hat. Sie ärgern sich gegenseitig, schmollen und fauchen wie zwei kleine Tiger. Und manchmal, wenn Mia besonders flink ist, springt sie vor Leo und ruft mit einem Grinsen „Miau!” – so wie eine Katze, die schon längst auf dem Baum sitzt, während der Löwe noch überlegt, wie er hinaufkommt.

Leo bedeutet „der Löwe”. Er möchte gern immer stark sein, mutig und unbesiegbar. Doch die Wahrheit ist: manchmal fühlt er sich klein, manchmal unsicher, und manchmal wünscht er sich, er könnte einfach nur verschwinden. Aber genau dann erinnert er sich daran, dass Mut nicht bedeutet, keine Angst zu haben – sondern die Angst zu spüren und trotzdem weiterzugehen.

Mia ist anders. Sie ist flink, beweglich, sportlich – wie eine Katze, die mit einem Satz da ist, wo niemand sie erwartet. Sie liebt es, sich zu bewegen, zu klettern, zu springen. Für sie ist das Leben ein Spiel, bei dem sie immer wieder „Miau!” rufen kann, ohne dass es albern klingt – denn bei ihr wirkt es geschmeidig und stark.

Zusammen erleben sie Höhen und Tiefen, sie streiten und versöhnen sich – und entdecken, dass man am meisten wächst, wenn man nicht allein geht.

Schon seit fast zwei Jahren üben Leo und Mia Kampfkunst. Damals hatte ihr Großvater ihnen erklärt, dass ein Dojo mehr ist als eine Turnhalle. Er sagte: „Ein Dojo ist ein Ort des Weges – manche nennen es eine Lebensschule. Dort lernst du nicht nur Bewegungen – du lernst auch, wer du bist.”

Kurz darauf begegneten sie zum ersten Mal Meister Tanaka, als er eine Vorführung im Park gab. Seine Ruhe und seine Kraft beeindruckten sie so sehr, dass sie unbedingt zu ihm ins Dojo gehen wollten.

Seitdem gehen Leo und Mia jeden Dienstag und Donnerstag nach der Schule ins Dojo. In der Schule lernen sie Rechnen, Schreiben und Lesen. Aber im Dojo lernen sie etwas anderes: wie man mit Mut, Respekt und innerer Ruhe durchs Leben geht. Und auch wenn sie sich vorher manchmal streiten – sobald sie hineingehen spüren sie: Das ist ein besonderer Ort.


2) Meister Tanaka und das Dojo

Das Dojo, in dem sie trainieren, ist mehr als nur ein Raum mit Matten und Holzwänden. „Dojo” bedeutet wörtlich „der Ort des Weges”. Es ist ein Platz, an dem man nicht nur Techniken übt, sondern auch sich selbst besser kennenlernt. Hier lernen Leo und Mia, ihre Kräfte zu spüren, Ruhe zu finden und im Herzen stärker zu werden – nicht für einen Wettkampf, sondern für das Leben.

Meister Tanaka ist kein gewöhnlicher Kampfkunst-Lehrer. Er stammt aus einem kleinen Dorf in Japan, wo er schon als Kind die Kampfkunst erlernte. Viele Jahre trainierte er in einem alten Holz-Dojo in den Bergen – im Winter lag der Schnee meterhoch, im Sommer sangen die Grillen. Sein erster Lehrer brachte ihm nicht nur Bewegungen bei, sondern vor allem Geduld, Respekt und den Wert inneren Friedens.

Später reiste Meister Tanaka um die Welt: Er lebte eine Zeit lang in China, meditierte mit Mönchen, und in Indien lernte er von Yogis, wie Körper und Geist zusammenarbeiten.

Schließlich kam er nach Europa, um sein Wissen an Kinder weiterzugeben – und zwei dieser Kinder sind Leo und Mia. Wenn Kinder ihn um Rat fragen, lächelt er und sagt den Satz, der Mut macht: „Egal, was dich bedrückt – Mit jedem Problem kannst du zu mir kommen. Ich bin immer für dich da!”

Und wenn Meister Tanaka eine Geschichte erzählt, wird es still – als würde die Zeit ein wenig langsamer. Er erzählt alte Geschichten voller Weisheit, Dinge, die er auf Reisen hörte, und Erlebnisse, die er selbst hatte. Jedes Mal verwandelt er sie so, dass Leo, Mia – und auch wir Leser – etwas Wertvolles mitnehmen können.


3) Sensei, der Hund

Am Eingang vom Dojo liegt oft der Hund von Meister Tanaka: Sensei.

Er hat kurzes Fell und spitze, wachsame Ohren. Seine Augen sind ruhig. Wenn Leo und Mia kommen, hebt er den Kopf. Er schaut sie an, blinzelt langsam und macht ein leises „Hmm”. Es klingt so, als würde er sagen: „Alles wird gut.”

Wenn jemand traurig ist, setzt sich Sensei daneben. Nicht zu nah. Nicht zu weit. Genau richtig. Manchmal tippt er mit seiner Nase ganz sanft gegen eine Hand – wie ein kleines: “Du schaffst das.”

Viele fragen: „Warum heißt dein Hund Sensei?”
Meister Tanaka lächelt: „Weil er zeigt, dass man auch ohne Worte lehren kann.”
(„Sensei” heißt auf Japanisch Lehrer oder Meister.)

So wird Sensei ein stiller Freund im Dojo. Er bellt selten. Aber sein Blick sagt: „Ich verstehe dich.”


4) Die beiden Katzen Yin & Yang

Bei Leo und Mia zu Hause leben auch ihre beiden Katzen, die Meister Tanaka ihnen geschenkt hat: Yin und Yang – eine hell, eine dunkel, wie Tag und Nacht. Yin ist ruhig, träumt viel und beobachtet gern die Wolken. Yang ist ein Wirbelwind, kann keine Sekunde stillhalten – sie springt, spielt und stürzt sich in jedes Abenteuer. Manchmal schnurren sie im Gleichklang, manchmal streiten sie sich – doch abends liegen sie wieder Seite an Seite.

Meister Tanaka gab ihnen diese Namen, weil sie ihn an ein wichtiges Prinzip erinnern: Gegensätze gehören zusammen und halten sich im Gleichgewicht. Wenn Leo und Mia ihre beiden Katzen Yin und Yang beobachten, müssen sie oft lachen – denn irgendwie ist es bei ihnen ganz ähnlich.

Mit Yin & Yang verstehen sie: Stark und sanft, laut und leise – alles hat seinen Platz. Kampfkunst hilft, dieses Gleichgewicht im Herzen zu finden.