Glück entsteht, wenn du es bemerkst (Du kannst immer einen Grund finden, um glücklich zu sein)
Es regnet seit Stunden. Nicht ein bisschen, sondern in dicken, grauen Strömen.
Leo sitzt am Fensterbrett und starrt hinaus. Der Spielplatz ist leer. Leo seufzt: „Heute wollten Mia und ich Ball spielen. Immer wenn wir was Tolles vorhaben, regnet es.” „Immer passiert mir sowas!”, murmelt er.
Yin, die schwarze Katze, rollt sich gemütlich zusammen, als wäre das Prasseln Musik. Yang hat auch Spaß: er springt im Flur durch eine kleine Wasserlacke, die er hereingetragen hat.
„Wie können die Katzen bloß so zufrieden sein?”, grummelt Leo.
„Vielleicht, weil sie keine Hausaufgaben haben”, kichert Mia.
Doch Leo lacht nicht. Ihm ist langweilig, und er findet alles blöd. Schließlich seufzt er: „Wenn man nichts tun kann, kann man auch nicht fröhlich sein.”
Mia sagt: „Du findest auch immer was, worüber du dich ärgern kannst. Komm, wir gehen ins Dojo zu Meister Tanaka. Vielleicht haben wir dort Spaß.” Er sagt doch immer: „Egal, was dich bedrückt – Mit jedem Problem kannst du zu mir kommen. Ich bin immer für dich da!”
Sie laufen durch den Regen zum Dojo.
Der Meister nickt, als die beiden eintreten. Leo sagt: „So ein blöder Regen. Wir können überhaupt nichts unternehmen.”
„Weißt du, Leo”, beginnt Meister Tanaka sanft und blickt in die Ferne, „ich erinnere mich an eine Geschichte, die mein Meister mir erzählte, als ich so alt war wie du, und die dir vielleicht helfen kann. Schließe bitte mal die Augen und höre mit deinem Herzen zu.”
Vor langer Zeit, als die Tage langsamer vergingen und die Welt noch viel leiser war, lebte in einem kleinen Kloster ein junger Schüler.
Eines Morgens regnete es in Strömen. Der Schüler sah hinaus und schimpfte: „Heute kann ich nicht üben. Alles ist nass und kalt.”
Der alte Meister nahm ihn mit vor die Tür. Ein Frosch hüpfte vergnügt durchs Nass, der Bambus bog sich, und Tropfen klatschten auf die Erde, „Schau dich um”, sagte der Meister. „Der Frosch singt, der Bambus tanzt, die Erde trinkt. Alle freuen sich – nur du nicht.”
Der Schüler verzog das Gesicht. „Aber ich finde das Wetter schrecklich!”
Der Meister nickte: „Dann hast du deinen Grund gefunden, um nicht glücklich zu sein.”
Er deutete nach draußen. „Doch sieh dich um – du könntest auch einen anderen finden.”
Am nächsten Tag schien die Sonne. Der Schüler kam wieder und klagte: „Mir ist heiß, ich bin müde, und die anderen sind besser als ich.”
Der Meister lächelte: „Dann hast du deinen Grund gefunden, um nicht glücklich zu sein. Willst du auch einen Grund für Freude suchen? Schau, was die anderen richtig machen – und freu dich, dass du mitlernen darfst.”
Zögernd begann der Schüler, trotzdem zu üben. Er lachte, als ihm ein anderer half, und merkte, wie gut er wurde, weil er zusah und lernte.
Am Abend sagte er: „Heute war ein schöner Tag. Ich hab viele gute Gründe gefunden, um mich zu freuen.”
Der Meister sprach: „Im Regen oder in der Sonne, in Müdigkeit oder Erfolg – du kannst immer einen Grund finden, um glücklich zu sein. Und du kannst immer einen Grund finden um nicht glücklich zu sein. Die Frage ist nur: wonach möchest du suchen?” Und er fügte hinzu: „Wenn du suchst, findest du immer einen Grund, glücklich zu sein – im Regen, in der Sonne, und selbst, wenn du müde bist.”
Leo runzelt die Stirn. „Also kann man sich sogar aussuchen, ob man schlecht drauf ist?”
Der Meister nickt. „Nicht immer sofort. Aber du kannst wählen, welchem Gedanken du Futter gibst. Der eine Gedanke macht dich schwer, der andere leicht.”
„Und wenn man beides gleichzeitig fühlt?”
„Dann ist das Leben ehrlich”, sagt der Meister leise. „Aber du darfst entscheiden, welche Seite du länger anschaust.”
Leo lächelt. „Dann will ich heute mal die helle, schöne Seite anschauen.”
Der Meister faltet die Hände. „Es gibt immer wieder Wolken – aber hinter jeder Wolke wartet schon die Sonne.”
Leo schweigt und verneigt sich still.
Wieder daheim tropft der Regen nur noch leicht. Mia holt Eis aus dem Gefrierschrank – und Leo passier ein Missgeschick – sein Eis fällt zu Boden. „Na super”, sagt Mia. Einen Moment lang stockt Leo und spürt den Ärger – dann lacht er plötzlich..
„Zum Glück hat Mama genug gekauft! Dann nehme ich eben Schoko statt Erdbeer!”
Mia lacht, Yin schnurrt und Yang schleckt vorsichtig an der kalten Pfütze.
Leo denkt: Man kann immer was finden, worüber man sich ärgert – oder worüber man sich freut.
👉 Sensei erschnüffelt das Wichtigste
- Manchmal passiert etwas, was du gerade gar nicht magst – es regnet, oder etwas geht kaputt, oder du bist müde. Dann kannst du traurig sein. Das ist okay.
- Aber du kannst auch sagen: „Ich such jetzt etwas, das schön ist.”
- Vielleicht findest du gleich was, vielleicht dauert’s ein bisschen. Aber irgendwo wartet immer ein kleiner Grund zum Lächeln: eine Katze, die schnurrt, ein Freund, der dich anlacht, ein Witz, ein schöner Gedanke.
Wenn wir Erwachsene hinsehen…
Diese Geschichte erinnert daran, dass Glück selten von äußeren Umständen abhängt, sondern von innerer Haltung. Kinder (und Erwachsene) neigen dazu, Freude an Bedingungen zu knüpfen: gutes Wetter, Erfolg, Anerkennung. Doch jeder Tag bietet beides: Gründe, sich zu ärgern – und Gründe, sich zu freuen. Der Fokus entscheidet über Stimmung, Energie und Handeln.
Drei Schritte für den Alltag:
- Wahrnehmen: Wenn du dich über etwas ärgerst, benenne es – und atme zweimal tief durch.
- Wählen: Frage dich: „Welchem Gedanken gebe ich jetzt Kraft?”
- Lenken: Sprich mit deinem Kind abends über beides: „Was war heute schwierig – und was war trotzdem schön?”
So entsteht emotionale Stärke: nicht durch perfekte Tage, sondern durch den Blick auf das Gute mitten im Unvollkommenen. Und Kinder lernen, dass Zufriedenheit kein Zufall ist, sondern eine Übung im Wahrnehmen und Umlenken der Aufmerksamkeit.
👉 Meister Tanaka fragt dich
- Warum war Leo anfangs so schlecht gelaunt?
- Was wollte der Meister dem Schüler mit dem Regen zeigen?
- Warum sagt der Meister, man könne beides finden – Grund für Glück und Unglück?
- Was hat der Schüler gelernt, als er trotz Müdigkeit übte?
- Wie hat Leo am Ende, als ihm das Eis zu Boden fiel, anders reagiert als am Anfang?
- Welche kleinen Dinge machen dich heute fröhlich?
- Wann hast du zuletzt gemerkt, dass du den Blick wechseln kannst – vom Ärgern zum Lächeln?
